Rechtsgrundlagen

Entwicklung zur Gewaltprävention im Kanton Zürich

Gestützt auf den im Regierungsratsbeschluss vom 20. Juni 2012 (RRB 659/2012) festgelegten Schwerpunkt Gewaltschutz & Gewaltbekämpfung hat die Kantonspolizei Zürich in Zusammenarbeit mit den Stadtpolizeien Zürich und Winterthur sowie weiteren Stellen die Strukturen und Abläufe für ein Kantonales Bedrohungsmanagement definiert und eingeführt.

In erster Linie geht es darum, dass Gewaltpotential frühzeitig erkannt wird. Verhaltensmuster deuten oftmals auf die Ausführung einer Gewalttat hin. Alle Mitarbeitenden in öffentlichen Diensten, Ämtern und Institutionen sind aufgefordert, im Bewusstsein ihrer Anzeigepflichten und Melderechte Informationen über ernstzunehmende Anzeichen auszutauschen. Nur so können Gefahren rechtzeitig erkannt, das Risiko fundiert eingeschätzt und interdisziplinär abgestimmte Massnahmen ergriffen werden.

Für die Legislaturperiode 2015 bis 2018 hat der Regierungsrat die Gewaltprävention weiterhin als Schwerpunkt festgelegt (RRB 1081/2015). Die Stärkung des Bedrohungsmanagements im Verbund aller beteiligten Behörden und Institutionen sowie die Institutionalisierung des gemeinsamen Dialogs anhand geeigneter Plattformen sind u.a. die Zielsetzungen.

Gewalt gegen Frauen, insbesondere auch häusliche Gewalt, sowie Gefährdungen durch psychisch auffällige Personen sind häufige Fallkonstellationen beim Bedrohungsmanagement. Der Regierungsrat legte deshalb diese beiden Themen als Schwerpunkte für die Legislaturperiode 2019 bis 2022 fest (RRB 184/2019). Die bessere Verankerung des Bedrohungsmanagements in der gesamten Kette der Strafverfolgung war das Ziel. Ein besonderes Augenmerk galt zudem der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen durch Optimierung der interdisziplinären Zusammenarbeit sowie durch Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Gewalt ist nicht akzeptabel.

Grundsatz:

Beim Austausch von Personendaten im Bereich des Kantonalen Bedrohungsmanagements geht es immer um besondere Personendaten (§ 3 Abs. 4 und § 17 IDG; LS 170.4).

Rechtsgrundlagen für Informationsweitergaben

Die entscheidende Frage lautet: Wer gibt gegenüber wem in welchem Verfahren worüber Auskunft? Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, welche gesetzlichen Vorschriften Anwendung finden. Wer Informationen weitergeben möchte, sollte sich also immer fragen: «Wer bin ich, wo befinde ich mich, an wen wende ich mich und was sage ich?» Daraus ergibt sich, ob die Weitergabe von Informationen erlaubt oder sogar vorgeschrieben ist. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Amts- oder Berufsgeheimnisse zu wahren sind. Eine allgemeine Regel lässt sich nicht aufstellen. Immerhin kann man aber als Faustregel festhalten, dass umso offener informiert werden darf, je dringlicher von einer Gefahr für hochwertige Rechtsgüter auszugehen ist. Bevor Informationsweitergaben erfolgen, gilt es immer als Erstes zu klären, an welchem Punkt man steht: Befinde ich mich innerhalb oder ausserhalb eines Strafverfahrens? Die Rechtsgrundlagen für Informationsweitergaben innerhalb oder ausserhalb eines Strafverfahrens unterscheiden sich massgeblich. Innerhalb eines Strafverfahrens gelten die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0); ausserhalb von Strafverfahren gelangen die Bestimmungen des Gesetzes über die Information und den Datenschutz (IDG; LS 170.4) zur Anwendung.

Öffentliche Organe

Auch privatrechtliche Organisationen (also z.B. Vereine) oder sogar Privatpersonen können als öffentliche Organe im Sinne des IDG gelten, sofern sie mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betraut sind. Damit sind sie bezüglich Informationsweitergaben den Behörden des Kantons und der Gemeinden gleichgestellt (§ 3 Abs. 1 lit. c IDG). Davon erfasst sind beispielsweise Opferhilfestellen, auch wenn sie privatrechtlich organisiert sind. Ähnliches gilt im Strafrecht, wo auch Privatpersonen unter Umständen als Beamte in Frage kommen. Nach Art. 110 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) sind Beamte im strafrechtlichen Sinne die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. Mit dieser Definition geht das Strafrecht von einem funktionellen und damit sehr weiten Beamtenbegriff aus. Entscheidend ist nur, dass die betreffende Person eine dem Gemeinwesen zukommende öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt, also eine amtliche Pflicht ausübt, ungeachtet dessen, ob diese hoheitlicher Natur ist, ob es sich um ein temporäres oder vorübergehendes Anstellungsverhältnis handelt, ob die Arbeit teil- oder vollzeitlich und gegen Lohn oder ehrenamtlich geleistet wird. Davon erfasst ist beispielsweise das medizinisch tätige Personal an öffentlich-rechtlich organisierten Spitälern (USZ, KSW etc.).

Personendaten

Personendaten sind Informationen, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (§ 3 Abs. 3 IDG):

Bestimmt ist eine Person, wenn sich ihre Identität unmittelbar aus den Daten selbst ergibt (Name, Geburtsdatum, Adresse etc.).

Bestimmbar ist eine Person, wenn sich ihre Identität aus dem Kontext der Daten oder durch Kombination mit andern Daten ergibt, sofern dies ohne erheblichen Aufwand möglich ist.

Als besondere Personendaten gelten auch Zusammenstellungen von Informationen, die eine Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit natürlicher Personen erlauben (§ 3 Abs. 4 lit. b IDG) und dadurch die Herleitung von Persönlichkeitsprofilen ermöglichen.

Melderechte

Grundsätzliches Anzeigerecht

Zur Strafanzeige ist jede Person berechtigt (Art. 301 Abs. 1 StPO). Dasselbe gilt für Hinweise an die Polizei, welche diese zum Handeln gestützt auf das Polizeigesetz veranlassen können (§ 4 Abs. 1 PolG; LS 550.1), sowie für Meldungen an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB, wenn eine Person hilfsbedürftig erscheint (Art. 443 Abs. 1 des Zivilgesetzbuchs; ZGB; SR 210).

Anzeigerecht trotz Schweigepflicht

Öffentliche Organe (Behörden wie z.B. die KESB, Beamte wie z.B. Polizistinnen und Polizisten) unterstehen dem Amtsgeheimnis im Sinne von Art. 320 des Strafgesetzbuchs. Private können unter Umständen als Beamte in Frage kommen (siehe Ziff. 6.1) und damit ebenfalls dem Amtsgeheimnis unterstehen. Sind sie Berufsgeheimnisträger (was z.B. auf Ärztinnen und Ärzte zutrifft), so unterstehen sie dem Berufsgeheimnis im Sinne von Art. 321 StGB. Abgesehen davon können Private einigermassen frei Auskunft geben, unterstehen aber immerhin dem Datenschutzgesetz des Bundes, das für die Datensammlung und Datenherausgabe Vorschriften aufstellt. Konkretisiert werden das Amts- und das Berufsgeheimnis in den für die jeweilige Personengruppe geltenden Spezialbestimmungen. So beispielsweise für die KESB in Art. 451 ZGB, für die Opferberatungsstellen in Art. 11 des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) oder für Personen, die im Kanton Zürich einen Beruf des Gesundheitswesens ausüben, in § 15 des Gesundheitsgesetzes (GesG; LS 810.1). Will ein öffentliches Organ Geheimnisse preisgeben, bedarf es der Einwilligung der vorgesetzten Behörde (Art. 320 Ziff. 2 StGB) oder eines andern Rechtfertigungsgrunds. Im Vordergrund steht dabei der Rechtfertigungsgrund der gesetzlich erlaubten Handlung (Art. 14 StGB); vgl. auch § 16 Abs. 1 lit. a IDG und § 17 Abs. 1 lit. a IDG, wonach öffentliche Organe (besondere) Personendaten bekanntgeben dürfen, wenn eine rechtliche Bestimmung sie dazu ermächtigt. Will ein Berufsgeheimnisträger ein Geheimnis preisgeben, bedarf es der Einwilligung des Berechtigten, also des Geheimnisherrn, der vorgesetzten Behörde oder der Aufsichtsbehörde (Art. 321 Ziff. 2 StGB) oder eines andern Rechtfertigungsgrunds. Im Vordergrund steht dabei der Rechtfertigungsgrund der gesetzlich erlaubten Handlung (Art. 14 StGB). Als Rechtsgrundlagen für die gesetzlich erlaubte Handlung kommen namentlich Bestimmungen der StPO, des ZGB, des IDG und des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG; LS 211.1) in Frage. Desgleichen finden sich solche Bestimmungen in den für die jeweilige Personengruppe geltenden Spezialerlassen.

Meldung durch öffentliche Organe

Ausserhalb eines Strafverfahrens ist die Bekanntgabe von (besonderen) Personendaten durch ein öffentliches Organ nach Massgabe von § 16 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 sowie § 17 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 IDG erlaubt. Vorausgesetzt ist, dass die Bekanntgabe der (besonderen) Personendaten im Einzelfall zur Abwendung einer drohenden Gefahr für Leib und Leben unentbehrlich oder der notwendige Schutz anderer wesentlicher Rechtsgüter höher zu gewichten ist, oder ein anderes öffentliches Organ im Einzelfall die (besonderen) Personendaten verlangt und diese zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. § 52 Abs. 4 PolG verweist auf die gleichen Bestimmungen, weshalb für die polizeiliche Tätigkeit im Bereich der Prävention und der Gefahrenabwehr dieselben Regeln gelten. Überdies sieht das Gesetz in § 16 Abs. 1 lit. b und § 17 Abs. 1 lit. b IDG auch die Möglichkeit der Einwilligung der betroffenen Person in die Bekanntgabe ihrer (besonderen) Personendaten vor. Zu beachten ist zudem, dass § 23 IDG verschiedene Gründe für die Einschränkung der Bekanntgabe von Informationen durch ein öffentliches Organ vorsieht. Dies gilt namentlich, wenn die Bekanntgabe der Information die Wirkung von Untersuchungs-, Sicherheits- oder Aufsichtsmassnahmen gefährden (Abs. 2 lit. c) oder die zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen (Abs. 2 lit e) oder die Privatsphäre Dritter beeinträchtigen könnte (Abs. 3). Aus einem hängigen Strafverfahren dürfen Strafbehörden Personendaten zwecks Verwendung in einem andern hängigen Straf-, Zivil- oder Verwaltungsverfahren bekannt geben, wenn anzunehmen ist, dass diese Daten dort wesentliche Aufschlüsse geben können (Art. 96 Abs. 1 StPO) und der Bekanntgabe keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Art. 101 Abs. 2 StPO). Strafbehörden dürfen andere Behörden über die von ihnen geführten Verfahren informieren, wenn die Voraussetzungen von § 17 IDG erfüllt sind (§ 151 Abs. 1 GOG; vgl. dazu den vorherigen Abschnitt). Umgekehrt stellen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden ihre Akten der Staatsanwaltschaft und den Gerichten für das Strafverfahren zur Einsichtnahme zur Verfügung, wenn dies für den Nachweis des Sachverhalts oder die Beurteilung der beschuldigten Person erforderlich ist und der Herausgabe keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (Art. 194 Abs. 1 und 2 StPO).

Meldung durch Öffentliche Organe oder Berufsgeheimnisträger

Besteht die ernsthafte Gefahr, dass eine im erwachsenenschutzrechtlichen Sinne hilfsbedürftige Person sich selbst gefährdet oder ein Verbrechen oder Vergehen begeht, mit dem sie jemanden körperlich, seelisch oder materiell schwer schädigt, dürfen Personen, die dem Amts- oder Berufsgeheimnis unterstehen, der Erwachsenenschutzbehörde Mitteilung machen (Art. 453 ZGB). Daneben gibt es einige Spezialbestimmungen, die für bestimmte Personengruppen Melderechte vorsehen, so beispielsweise für Opferberatungsstellen in Art. 11 Abs. 3 OHG oder für Personen, die im Kanton Zürich einen Beruf des Gesundheitswesens ausüben, in § 15 Abs. 4 GesG. Die Voraussetzungen der Datenbekanntgabe sind den entsprechenden Vorschriften zu entnehmen.

Meldepflichten

Bei Verdacht auf strafbare Handlungen unterstehen Strafbehörden einer Anzeigepflicht, wenn sie diese bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt oder entgegengenommen haben (Art. 302 Abs. 1 StPO). Auch andere Behörden und Angestellte des Kantons und der Gemeinden zeigen strafbare Handlungen an, die sie bei Ausübung ihrer Amtstätigkeit wahrgenommen haben. Ausgenommen von dieser Pflicht, aber zur Anzeige berechtigt, sind Personen, deren berufliche Aufgabe ein persönliches Vertrauensverhältnis zu beteiligten Personen oder deren Angehörigen voraussetzt (Art. 302 Abs. 2 StPO i.V.m. § 167 Abs. 1 GOG). Die Strafbehörden informieren die Sozialbehörden und die KESB über eingeleitete Strafverfahren sowie Strafentscheide, wenn dies zum Schutz einer beschuldigten oder geschädigten Person oder ihrer Angehörigen erforderlich ist sowie bei Beteiligung von Minderjährigen an Delikten, falls deshalb weitere Massnahmen angezeigt sind (Art. 75 Abs. 2 und 3 StPO). Wer in amtlicher Tätigkeit von einer hilfsbedürftigen Person erfährt, ist verpflichtet, der Erwachsenenschutzbehörde Meldung zu erstatten (Art. 443 Abs. 2 ZGB). Neben dieser Meldepflicht sieht das Gesetz in Art. 448 ZGB auch bestimmte Mitwirkungspflichten für Berufsgeheimnisträger (Abs. 2 und 3) sowie Verwaltungsbehörden und Gerichte (Abs. 4) im erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren vor. Diese unterliegen bestimmten Voraussetzungen, die sich je nach Adressat unterscheiden. Daneben gibt es einige Spezialbestimmungen, die für bestimmte Personengruppen Meldepflichten vorsehen. So beispielsweise in § 15 Abs. 3 GesG für Personen, die im Kanton Zürich einen Beruf des Gesundheitswesens ausüben, bei aussergewöhnlichen Todesfällen und der vorsätzlichen Verbreitung gefährlicher übertragbarer Krankheiten oder in § 15 Abs. 1 des Gewaltschutzgesetzes (GSG; LS 351) für die Polizei bei minderjährigen Personen in dem von Häuslicher Gewalt betroffenen Haushalt. Die Voraussetzungen der Datenbekanntgabe sind den entsprechenden Vorschriften zu entnehmen.

Kontaktstellen

Dienst Gewaltschutz

Polizeinotruf 117

 Kantonspolizei Zürich
058 648 14 20
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Fachgruppe Bedrohungsmanagement

Polizeinotruf 117

Stadtpolizei Zürich
044 411 71 17
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Dienst Gewaltschutz

Polizeinotruf 117

Stadtpolizei Winterthur
052 267 64 69
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